2023-01 AL Albanien 2023

Ein anderes Albanien

Albanien 2023, was ist denn hier passiert?

Acht lange, erholsame Wochen sind an “unserem” Strand vergangen, wir haben gesehen, gelebt, genossen, gefaulenzt und den Tag, Tag sein lassen. Der Himmel ergraut, ein neues Unwetter zieht herauf, die Sonnentage sind gezählt, es ist Januar, Winter. Es wird Zeit Neues zu entdecken, eine Reise steht nach der Urlaubszeit in Montenegro bevor. Die Grenze Montenegro - Albanien ist nicht weit, ein neues Albanien empfängt uns mit einigen Überraschungen.


Kaum rumpelt und schaukelt der Wagen beim Erstkontakt mit Albaniens Wegen. Glatt gebügelt und schwarz glänzend zieht das neue Asphaltband eine Linie entlang der Küste. Mit uns und um uns chromglänzende, schwarze und graue PS-Boliden der oberen Preiskategorie. Laut röhrend rasen sie an uns vorbei, doppelt so stark motorisiert wie unser Haus auf Rädern um ihre Mitfahrer entsprechend der Zeit schnellstmöglich von A nach B zu beamen, Porsche Carrera, viele S-Klassen aus Sindelfingen, bayrische Schlachtschiffe vom 7er über den X7, auch ein paar 8er. Nein, nicht die erwarteten alte Mercedesse, nur die Oberklassen und tatsächlich in Massen.

Zahlreiche Kreuze und Plastikblumengestecke säumen die Straße von der Grenze über Shkodra, Lehze, Richtung Tirana. So ganz glimpflich geht dann die Raserei über die neuen Straßen nicht vorbei. Es gibt aber auch viele Fußgänger, ein paar Pferdefuhrwerke und auch zwei alte LKWs.

Richtung montenegrinische Grenze kommen uns zahlreiche, kurvenschneidende Raser entgegen. Große Luxuskarossen, die Gesichter der Fahrer sind irgendwie alle gleich, um die Dreißig, kurz frisierte schwarze Haare, die Bärte glatt ausrasiert, südländischen Taint, wie die Klone, “Agent Smith” aus der Matrix im Jahr 2023. Das Auto hat hier einen hohen Stellenwert. Anscheinend möchte der Albaner sein Selbstwertgefühl mit solch einem PS Boliden schon etwas aufpäppeln. Vielleicht die Familie über die Feiertage besuchen, zeigen was habe ich, was kann ich. Schaue mein Auto an und du weißt wer ich bin. Das ist gar nicht so anders als in Deutschland.

Wir fahren an kilometerlangen Vorort-, Gewerbe- und Industriegebieten entlang, nagelneu, verspiegelte Häuserfronten, etwas abseits gelegene pompöse Villen, zurückgesetzt an den Hängen der Vorgebirge, Nobelhotels wie an der Schnur aufgereiht, die bekannten Supermarktketten werben um zahlungskräftige Kunden.

Nein, wir sind nicht an der Côte d’Azur, nicht in Nizza oder St. Tropez. Das ist Albanien 2023, ein komplett verändertes Land seit dem letzten Besuch vor sechs Jahren. Wo sind sie hin, die alten, liebevoll gepflegten 190er, die 208er Minibusse??? Werden wir sie noch entdecken, ist es hier nur der Übliche “an der Küste, am Meer - Wohlstand”? Wo ist unser altes Albanien?

Wir fahren eine zerrumpelte Stichstraße Richtung Meer, halten, geht es hier weiter? Ein alter Mann, wie ich 😏 geht an uns vorbei, gebeugt von einem Leben schwerer Arbeit, legt seine rechte Hand auf sein Herz, grüßt und lächelt uns zu, ein Anfang.