2023-02 AL Hand aufs Herz, so ist Albanien.

Jeder Reisende hat ja so seine Vorlieben und die können ganz unterschiedlich sein. Wir mögen es ja eher ursprünglich und ein wenig chaotisch und improvisiert anstatt durchstrukturiert und gleichförmig.
Wahrscheinlich gefällt es uns deswegen so gut auf dem Balkan und ganz speziell in Albanien (dicht gefolgt von Bosnien-Herzegowina). Hier hat es die EU zum Glück noch nicht geschafft, das Bunte aus dem Straßenleben zu verdrängen und so findet man neben vielen kleinen Geschäften für alles mögliche auch noch die selbst abgefüllte Milch in der alten Colaflasche, die einem am Straßenrand verkauft wird. Sogar die Butter ist hier viel gelber als wir es kennen und riecht leicht käsig wenn man mit ihr etwas brät.

Als ich in Elbasan auf dem alten Markt zum zweiten Mal in das kleine Geschäft für Käse komme, erkennt mich die Verkäuferin gleich wieder und fragt mit Gesten ob es mir denn geschmeckt hätte. Und wie! So gut, das wir diesmal ganze zwei Kilo Hartkäse kaufen, einer davon ist ein fester Ziegen- und Schafskäse und erinnert ein wenig an einen Pecorino. Ein geschmackliches Gedicht! Und überhaupt, diese oft erlebte Freundlichkeit der Albaner. Kaum steht man mal irgendwo kommt meist gleich jemand und fragt ob er helfen könne. Gerade auch die Jugend hier grüßt oft freundlich. Die Hirten am Wegesrand an denen wir mit unserem Wohnmobil vorbeifahren winken und ein Lachen strahlt über das ganze Wetter gegerbte Gesicht.


Auf den meist kleinen Feldern gibt es keine Monokultur sondern ein fröhliches Nebeneinander von Mais, Kartoffeln, Tomaten, Paprika und vielen Olivenbäumen. Tiere sind ebenfalls überall zu treffen, auch auf den Straßen. Und auch hier hat man eher ein Schwein, drei Hühner, zwei Ziegen und eine Kuh. Herden sind eher klein und dann sind es Schafe oder wunderhübsche, meist langhaarige Ziegen mit oder ohne Hirte und manchmal mit Hunden. Aber auch diese begegnen uns trotz unserer drei eigenen mit Abstand freundlich, wir werden meist nur bellend aufgefordert, weiter zu ziehen. Und ähnlich wie in Marokko ist man hier auch im Abseits und im vermeintlichen Nirgendwo nie alleine. Immer wohnt dann doch noch Irgendwer dort oder kommt aus dem Nichts zu Fuß und verschwindet ins Nichts, aber vorher gibt es eigentlich immer ein kurzes Gespräch: woher wir kommen, wohin wir fahren und ein breites Grinsen, wenn wir sagen wie sehr uns ihr Land gefällt. Wer hier wohnt ist es gewöhnt, auch lange Strecken zu Fuß oder bestenfalls mit dem Esel zurückzulegen. Und für die längeren Wege fahren hier auch in jedem noch so kleinen Ort Minibusse, vom uralten Mercedes DüDo mit 25 Sitzplätzen bis hin zum neueren, klimatisierten Sprinter. Ebenso ist es hier üblich das man Leute an der Straße einfach mitnimmt bis zum nächsten Ort, denn ein Auto zu besitzen, auch wenn es noch so alt ist, ist trotzdem ein Luxus.


Die Straßen sind von unterschiedlichster Qualität, seit wir vor sechs Jahren zuletzt in Albanien waren sind viele neue Straßen gebaut worden und viele alte ausgebessert, aber noch immer kann es einem passieren das man dreimal abbiegt und vor einer Schotterpiste steht die man eher ungern mit dem Wohnmobil fahren möchte. Dann heißt es neue Wege suchen.

Und wir verwöhnten Deutschen glauben gar nicht auf welchen für uns scheinbar unbefahrbaren Wegen einem dann doch Autos entgegen kommen beim Wandern, und das sind keinesfalls hochbeinige 4x4 sondern eher uralte Mercedes Benz oder kleine Corsas. Kommt man um die Mittagszeit durch einen Ort, egal ob klein oder groß, dann könnte man fast denken irgendwo sei etwas besonderes los. Überall sind Menschen unterwegs, kaufen ein in den kleinen Läden, der Albaner kauft kleine Mengen, dafür oft, sitzen im Café (nirgends habe ich so eine Cafedichte gesehen und alle sind immer gut besucht) oder stehen einfach nur für einen Schwatz auf der Straße. Und das immer unabhängig vom Wetter, bei Regen macht man das ganze eben mit Regenschirm, der hier noch sehr verbreitet ist, sogar beim Fahrradfahren, ist es doch allemal günstiger alle eine Regenjacke. Und mischt man sich dann auch in dieses Gewusel dann ist man auch sofort Teil davon, wird angelächelt, Schuljungen erproben ihr englisches “Hello” an uns und auf dem Markt oder im kleinen Fleischerladen hat man sofort ein Gespräch, wenn auch ohne gemeinsame Sprache, aber das ist ja gar nicht wichtig.

Und was ist mit dem auf dem Balkan sehr präsenten Müll? Viele die zum ersten Mal mit solchen Massen an Müll in der Natur, in Flüssen und Seen und eigentlich überall konfrontiert werden sind fassungs- und verständnislos. Andererseits funktioniert hier auch das Recycling ganz anders. Man sieht gerade in größeren Städten viele Menschen mit selbst zusammengeschweißten Fahrrädern und Mofatransportern, die sich auf das Sammeln bestimmter Dinge spezialisiert haben (Pappe, Papier, Plastikflaschen, Glasflaschen) und damit zum nächsten kleinen ebenfalls spezialisierten Wertstoffsammelplatz fahren und somit Geld verdienen. Wer aus der ehemaligen DDR kommt kennt dieses System noch von früher. Und trotzdem wird in Ländern wie Albanien sichtbar, wie wenig wir mit all dem Plastik klarkommen ohne das man ja mittlerweile kaum noch einkaufen kann, nur ist es bei uns in Deutschland nicht so offensichtlich zu sehen.

Wer hier reisen möchte, der muss sich einen eigenen Umgang damit suchen. Ich zumindest werde auch weiterhin das Leben so abbilden und beschreiben wie es mir beim Reisen begegnet und dazu gehört das Schöne genauso wie das Unschöne.


Faleminderit, ditën e mirë, mish.
Die Sprache ist schwierig und hat keine Ähnlichkeit mit anderen Sprachen. Außer Danke, Guten Tag und lustigerweise das Wort für Fleisch haben wir noch keinen großen Wortschatz angehäuft. Meist geht es mit Hand und Fuß, ein wenig englisch, oft deutsch und noch besser mit italienisch.
Aber Hand aufs Herz, kennt ihr diese Geste die wir oft bei älteren Männern erleben?! Man begegnet sich irgendwo im Nirgendwo und hat keine gemeinsame Sprache und zum Gruß legt der alte Mann seine Hand auf sein Herz: Sei mir von Herzen willkommen Fremder: mirë se erdhe

Wir sind jedesmal sehr ergriffen und noch lange nicht damit fertig dieses wunderschöne und vielfältige Land weiter zu entdecken. Auf unsere ganz persönliche Art. Denn die passt eh am besten zu uns.